„Du hast nicht auf mich geachtet“, antwortete der Fuß

Vor kurzem habe ich eine Frau begleitet, die durch einen Treppensturz in ein Schocktrauma gefallen ist und sich nach der aufwendigen Fußoperation (mit mehreren Schrauben und einer Platte) nicht mehr traute, den Fuß zu belasten.

Die Polaritätsarbeit – ein wirksames Werkzeug 

Ich forderte sie auf,  in einer Polaritätsarbeit (kommt aus der Gestalt-Therapie, wo man innere oder äußere Anteile auf den sogenannten leeren Stuhl sich gegenübersetzt und zu ihnen spricht, ihnen die eigenen Gefühle mitteilt und auch die Körperbewegungen geschehen lässt) in Beziehung zu ihrem Fuß zu treten.

Erst konnte sie ihren Ärger gegenüber dem  Fuß ausdrücken und ihm sagen, dass es sie so ärgert, dass er einfach zerbrochen ist. Auch die Verzweiflung darüber, dass es nicht mehr rückgängig zu machen ist und die Erschöpfung, die mit dem ganzen Kampf gegen die Situation einherging, konnte ausgedrückt und gefühlt werden.

Im Anschluss daran wechselte sie die Position auf die Seite des Fußes und etwas völlig überraschendes geschah: Der Fuß antwortete: „Du hast mich überfordert, ich hatte keine Ruhe, ich konnte nicht mehr bei mir sein, du warst nie da, du hast nicht auf mich geachtet, ich war nicht wichtig für dich!“ Eine tiefe Traurigkeit hat ihren Raum bekommen, was wiederum einen tiefen Eindruck auf die andere Seite hinterlassen hat, die von da an viel liebevoller und verständnisvoller zu ihrem Fuß sprach.

Eine neue innere Haltung

Während der Arbeit wurde der Klientin bewusst, wie sie an den Fuß Bedingungen gestellt hat und ihn so, wie er jetzt war, nicht angenommen hat. Mit etwas Abstand auf den Dialog blickend, konnte sie den beiden Mut zusprechen und ihnen sagen, dass sie zusammen gehören. Durch diese Arbeit veränderte sich die innere Haltung der Klientin ihrem verletzten Fuß gegenüber völlig. Eine Hinwendung und liebevolle Beachtung konnte ganz von alleine geschehen, ohne dass jemand von außen gesagt hätte: „Du musst dich besser um deinen Fuß kümmern!“.

Sie konnte das erkennen, was sie aus der Situation lernen kann – wieder mehr auf sich selbst zu achten, nicht ständig bei den anderen oder irgendetwas anderem zu sein. Dass sie sich so offen und aufrichtig auf diese Arbeit eingelassen hat, hinterließ bei ihr, neben der geistigen Klarheit, emotionalen Gelöstheit auch dass sie sich wieder mehr als ganzer Körper gefühlt hat, sich aufgerichteter wahrnahm, mit einer Lockerheit und Lebendigkeit vom Kopf bis zu den Zehenspitzen.

Das Geschenk dieser Arbeit

Das ist das wunderbare Geschenk dieser Arbeit: In einem Raum von vollkommener Absichtslosigkeit und Präsenz darf sich alles so zeigen, wie es jetzt ist. Das ist die Basis für ein neues Bewusstsein, die Basis für Heilung und Transformation!

5 Kommentare. Hinterlasse eine Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte füllen Sie dieses Feld aus.
Bitte gib eine gültige E-Mail-Adresse ein.

Vorheriger Beitrag
Männer fühlen auch: Die wachsende Bedeutung der Emotionalität bei Männern
Nächster Beitrag
Glück oder Dankbarkeit – was war zuerst?

Machen wir uns gemeinsam auf den Weg!

Jetzt Newsletter abonnieren

Beiträge die dich vielleicht auch interessieren könnten:

Mein Herzenswunsch erfüllt sich im „Liegestuhl“

Was hat ein Liegestuhl mit der neuen „Unter-uns-Gruppe“ , die ich ab Januar starte, gemeinsam? Genau, im Liegestuhl kann man zur Ruhe kommen und in der Unter-uns -Gruppe auch. So hat…
Zum vollständigen Beitrag

Familienaufstellungen bringen Verborgenes ans Licht

Heute war wieder ein bewegender Familienaufstellungs-Tag: Eine Frau kam mit dem Anliegen nach vorne, auf ihre Mutter zu schauen. Ihre Mutter würde ihren Sohn als ihren eigenen Sohn sehen. So suchte…
Zum vollständigen Beitrag