Du setzt dich hin, willst einfach nur atmen, wahrnehmen, was du im Körper spürst und was du fühlst … und nach wenigen Sekunden öffnest du die Augen wieder, dein Körper wird unruhig, dein Kopf wirft dir To-do-Listen, Selbstkritik oder düstere Gedanken vor die Füße. Du stehst wieder auf. Und fühlst dich womöglich auch noch „falsch“ oder unfähig.
💬 „Ich kann einfach nicht meditieren.“
Das höre ich oft in meiner Praxis. Immer wieder beschreiben mir Menschen, die o.g. Verhaltensweisen oder berichten in meiner Bewusstheitsgruppe davon, dass sie der Innenreise nicht folgen können, weil sie ständig von Gedanken abgelenkt werden.
Deshalb ist es mir ein Anliegen, darüber zu schreiben, denn:
Das ist nicht deine Schuld.
Und es bedeutet nicht, dass du es nicht kannst – sondern, dass dein Nervensystem (noch) nicht sicher genug ist, um sich längere Zeit nach innen zu versenken.
🔍 Was passiert hier aus traumatischer Sicht?
Wenn wir früh verletzt wurden oder chronisch überfordert waren, verknüpft unser Nervensystem das Innehalten oft nicht mit Sicherheit – sondern mit Gefahr, denn Still-Sein, Passivität oder Ruhe waren damals gefährlich oder bedrohlich. Und die Gründe hierfür möchte ich dir jetzt beschreiben:
🧠 Unverarbeitete frühe Erfahrungen
Wenn ein Kind wiederholt in Ohnmachtssituationen war – z. B. bei emotionaler Vernachlässigung, Missbrauch, chronischem Stress oder Überforderung – dann kann „Still-Sein“ bedeuten: „Ich bin allein mit dem, was ich fühle – und niemand hilft mir.“ Und dann hat sich das Kind Strategien zur Hilfe genommen, um diese überfordernden Situationen überleben zu können. So war damals Aktivität (z. B. Unruhe, Denken, Bewegung) ein unbewusster Versuch, nicht zu spüren, was gerade zu viel war.
🔄 Überlebensstrategien in Aktivität
Für viele war „funktionieren“, „tun“, „anpassen“ eine lebenswichtige Strategie.
In der Stille bricht diese Aktivität weg – und es kann sich innerlich anfühlen wie:
„Wenn ich jetzt ruhig bin, bin ich ausgeliefert.“
„Wenn ich aufhöre, werde ich überflutet.“
„Wenn ich nichts tue, kommt das Schreckliche wieder.“
Das Nervensystem hält dann die Aktivierung aufrecht, um dich zu schützen.
🧯Unverarbeitetes tritt ins Bewusstsein
In der Stille gibt es keinen äußeren Reiz, keine Ablenkung – was bedeutet:
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Gefühle, Erinnerungen oder Körperempfindungen, die bisher weggedrückt wurden, tauchen auf.
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Diese Überflutung empfindet das Nervensystem als bedrohlich, weil es nicht gelernt hat, sicher in Kontakt mit intensiven inneren Zuständen zu bleiben.
Also kannst du jetzt erkennen, dass nichts mit dir „falsch“ ist, wenn du beim Meditieren sofort zu Denken beginnst und unruhig wirst, um aufzustehen, dein Nervensystem hat gelernt:
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Aktivität = Kontrolle = (scheinbare) Sicherheit
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Innehalten = Kontrollverlust = mögliche Gefahr
Deshalb reagiert es mit Unruhe, Gedankenspiralen, Fluchtimpulsen oder innerem Druck, sobald du dich in die Stille versenkst.
❤️ Wie kannst du damit umgehen?
Erst einmal ist wichtig, diesen Schutzmechanismus anzuerkennen. Jetzt ist es gerade noch so, dass mein Nervensystem sich schützen will, obwohl es nicht mehr nötig ist. Erlaube dir, dass deine Form der Meditation gerade anders aussieht. Du kannst immer wieder die Augen öffnen und dich bewusst vergewissern, dass du in Sicherheit bist, um sie dann in deiner Zeit wieder zu schließen. Vielleicht magst du auch vor dem Meditieren erst einmal mit Bewegung beginnen oder Summen, Gehen, Wiegen. Dann kann auch hilfreich sein, wenn du dir nicht gleich vor nimmst eine halbe Stunde zu meditieren sondern vielleicht erst einmal nur 2 Minuten. Immer in dem Bewusstsein, dass dein Nervensystem nur das beste will und dass es langsam, Schritt für Schritt neue Erfahrungen verinnerlichen kann.
Ganz nach dem Sinne: Meditation ist kein Ziel, das du erreichen musst.
Es ist ein Ort, an den du zurückkommen darfst, wenn dein Inneres bereit ist, sich sicher zu fühlen.