Wir können zwei Bereiche des Denkens unterscheiden: das praktische und das psychische Denken. Diese Begriffe hat Jiddu Krishnamurti, ein großer indischer Weisheitslehrer des letzten Jahrhunderts, entwickelt.
Das praktische Denken bezieht sich auf konkrete Überlegungen, wie Dinge gestaltet werden können, etwa das Backen eines Brotes: „Wie viel Mehl benötige ich? … Wo kaufe ich es ein?“
Das psychische Denken umfasst ganz andere Fragen: „Wenn das Brot fertig wird und so gut schmeckt, wie ich es mir vorstelle, dann werden meine Gäste beeindruckt sein, was ich alles kann. … Aber vielleicht gelingt mir das Brot nicht, vielleicht sieht es nur auf dem Foto des Rezeptes gut aus, dann werden die Gäste von meinen Backkünsten enttäuscht sein und mich nicht mehr mögen.“
Der Dipl. Psychologe und spirituelle Lehrer Christian Meyer benennt das psychische Denken als die wesentliche Grundlage für das ständige innerliche Kommentieren, das die wichtige Funktion der Vermeidung hat. Unangenehme Gefühle, innere Konflikte und vor allem das Wahrnehmen von Bedürfnissen und Wünschen, die das augenblickliche Leben infrage stellen könnten, werden dadurch vermieden.
Der Psychoanalytiker Hermann Beland schätzt, dass 95 Prozent des Denkens nur die Funktion des Vermeidens erfüllt. Diese Zahl ist meiner Meinung nach zu Recht erschütternd.
Was wäre, wenn diese 95 Prozent des Denkens still würden?
Genau das ist das Ziel aller Weisheitstraditionen, das Ziel der Erleuchtung und des Aufwachens, dass nämlich das Denken aufhört, dass der Verstand still wird.
Wenn die 95 Prozent still werden, dann können sich die restlichen 5 Prozent des Denkens, die praktischen Gedanken, die sich mit der Gestaltung des Lebens und der Welt befassen, einfach viel freier, ungestörter und dadurch wirksamer entfalten.