Es gibt kaum ein Thema, das so viele Emotionen auslöst wie das Familienstellen.
Schon das Wort lässt bei manchen Menschen etwas in sich zusammenzucken – zu groß, zu unübersichtlich, zu nah.
Vor einiger Zeit sagte eine Klientin zu mir mit einem leichten Lächeln, sinngemäß: „Also, dieser Hellinger hatte ja sowieso nicht alle Tassen im Schrank.“
Und ich spürte, dass das kein Spott von ihr war, denn sie selbst ist schon jahrzehntelang auf dem spirituellen Weg. Ich spürte genau, dass es sich um einen Schutz handelte. Mit diesem Satz versuchte sie etwas zu entwerten, das die Gefahr in sich verbarg, zu nahe kommen zu können.
Denn sobald es um die Familie geht – um Mutter, Vater, Kinder, Herkunft, Schuld, Verstrickung – berühren wir die Schichten, die am tiefsten in uns wirken. Dort, wo unser Nervensystem gelernt hat, was Liebe bedeutet. Und wo auch die alten Loyalitäten liegen, z.B.: „Ich darf nicht glücklicher sein als du.“
Der natürliche Widerstand
Wenn wir uns dem Familienstellen nähern, begegnen wir fast immer einem inneren Widerstand. Es wäre schon fast komisch, wenn es anders wäre, wie gesagt handelt es sich um die tiefsten Verbindungen in unserem Leben und die damit verbundenen, tiefsten Gefühle. Das schöne ist, dass dieser Widerstand gar nicht „wegmuss“. Wir können ihn wie einen Hüter an der Schwelle betrachten, er sagt: „Schau nicht zu tief, sonst verlierst du den Halt.“ Und genau dieser Halt ist es, den wir als Kinder gebraucht haben – manchmal um den Preis, dass wir heute nicht frei atmen können. Aber heute, als Erwachsene, müssen wir uns von diesem Widerstand nicht ins Boxhorn jagen lassen, er darf da sein, mit all seinen Gefühlen von Unsicherheit, Ärger usw. und wir können trotzdem weitergehen.
Und es ist so hilfreich, so erfahre ich es, wenn wir wissen, warum es sich so gefährlich anfühlt, auf die eigene Familie zu blicken.
Denn tief in uns weiß etwas: Wenn ich beginne, wirklich hinzuschauen, könnte sich etwas verändern – und Veränderung bedeutet immer auch Abschied vom Alten.
Wenn sich etwas anderes zeigt
Noch etwas beobachte ich, was uns vom Familienstellen zurückschrecken lässt: Viele Menschen kommen mit einem klaren Anliegen in eine Aufstellung:
„Ich will endlich meine Angst verstehen.“
„Ich möchte Frieden mit meinem Ex-Partner.“
„Ich will meine Berufung finden.“
Und dann geschieht etwas Unerwartetes. Plötzlich taucht die Mutter auf – oder der Großvater, eine vergessene Geschichte, ein Schmerz, den keiner fühlen konnte.
Das System zeigt, was gesehen werden will, nicht, was wir sehen wollen. Und genau darin liegt die Schönheit dieser Arbeit, die zugleich erschreckend sein kann, aber immer wahrhaftig ist:
Sie folgt nicht unserem Plan, sondern einem größeren Ordnungsprinzip –
dem Feld des Wissens, das Rupert Sheldrake das morphische Feld nennt.
Darin ist alles gespeichert, was war – und auch die Möglichkeiten, wie es werden kann, wenn Heilung geschieht.
Sich einem größeren Bewusstsein anvertrauen
Familienstellen ist kein Werkzeug, sondern eine Haltung, so erlebe ich es. Es verlangt von uns, den Mut zu haben, nicht zu wissen.
Wir lassen die Kontrolle los – und erlauben, dass etwas durch uns geschieht. Und es verlangt von uns die Gefühle, die vielleicht schon seit Generationen nicht gefühlt wurden, endlich zu fühlen. Das ist für mich einer der wichtigsten Punkte beim Aufstellen – denn wenn wir uns von der Aufstellung nicht berühren lassen, dann war sie quasi für die Katz.
Und dann geht es oft gar nicht darum, sofort Lösungen zu finden, sondern darum, den ersten ehrlichen Blick zu wagen:
„Ja, so war es. Und ja, das hat gewirkt.“
In dem Moment, in dem wir hinschauen, ohne zu bewerten, beginnt sich das System zu entspannen.
Es ist, als würde die Seele sagen: Endlich wird gesehen, was wahr ist.
Das Geschenk hinter dem Widerstand
Wenn du dich also dabei ertappst, wie du innerlich denkst: „Ach, das ist doch alles esoterischer Quatsch“, dann lade ich dich ein deinem Widerstand einfach zuzulächeln, denn er zeigt dir nur, dass etwas in dir gerade behutsam berührt wird.
Das Aufstellen ist für mich kein magischer Trick –
es ist ein stilles Sich-Erinnern daran,
dass wir Teil eines größeren Ganzen sind.
Und manchmal genügt es, einfach dort zu stehen, inmitten dieses Feldes, und zu spüren: Ich muss es nicht mehr allein tragen.
Vielleicht ist das der Anfang: nicht mehr alles verstehen zu wollen, sondern dich führen zu lassen von etwas, das größer ist als du.



